El male rachamim, Gott des Erbarmens

Interreligiöser Gedenkgottesdienst am Mahnmal für ermordete Juden in Friedrichssegen

Zwischen der Friedenskirche in Friedrichssegen und dem Mahnmal für die 51 zunächst zu Zwangsarbeit herangezogenen, dann deportierten und schließlich ermordeten Juden liegen 30 Meter. Doch es ist nicht nur die räumliche Nähe zu damaligen Lahnsteiner Bürgern und Menschen aus dem Mittelrheintal, sondern die Nähe im Herzen oder in den gemeinsamen religiösen Wurzeln, die die Ev. Gesamtkirchengemeinde Frücht-Friedrichssegen zusammen mit jüdischen Vertretern zum Ausdruck brachte. Gemeinsam feierten Pfarrerin Antje Müller, Wolfgang Elias Dorr als jüdischer Vertreter, die Sängerin Odelia Lazar und Gitarrist Michael Wienecke einen Gedenkgottesdienst am 8. November 2020. Zahlreiche Besucher hatten sich zum Open-Air-Gottesdienst eingefunden, um der jüdischen Mitbürger zu gedenken, die unter dem NS-Regime von Friedrichssegen aus in die Konzentrationslager gebracht und dort vergast wurden.

Müller zitierte den Widerstands-Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der nicht erst angesichts der Reichspogromnacht am 9. November 1938 deutlich formulierte: „ Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“ In ihm wie in allen anderen „Blutzeugen“, also in jedem Opfer, das sein Leben aufgrund seiner Überzeugung und seines Glaubens lassen musste, seien Vorbilder für Zivilcourage und Glaubensmut zu sehen, so Müller. Es sei damals wie heute wichtig „dem Rad in die Speichen zu fallen“, Kirchen seien allen Opfern jeder Gesellschaftsordnung verpflichtet.

Ihrer verstorbenen Vorfahren und ermordeten jüdischen Mitbürgern gedachten Dorr und Lazar mit bewegenden hebräischen, jiddischen und deutschen Worten oder Liedern. Und dennoch klang in musikalischen wie gesprochenen Beiträgen angesichts des erlittenen und überlieferten Elends immer wieder die Überzeugung durch, dass der Gott Israels und der Christen seine Geschöpfe durch die Zeiten begleitet und nicht im Stich lässt, so z. B. im hebräischen Gebet El male rachamim, d. h. Gott des Erbarmens, oder auch im jiddischen Abschlusslied „Mir leben eybik“.

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