Der Sohn ist schon drüben
“Sie wollen es auf Ihre alten Jahre noch wagen?”Er fühlt meine Skepsis, lässt sich aber nicht beirren: “Ja, sehen Sie, mein Sohn ist doch schon seit Jahren drüben. Er ist eingebürgert, hat ein gutes Einkommen und wird mir die Umstellung erleichtern”. Ich kann Vater Schmidt verstehen. Natürlich sein Sohn Georg ist drüben,schon vor fünf oder sechs Jahren ausgewandert nach Kanada.Gelegentlich schreibt er auch mir und berichtet, wie es ihm geht. Ich drücke Vater Schmidt zum Abschied die Hand. “Na, dann Gott befohlen!”Ich mache mir keine Sorgen um ihn. Er wird alles gut vorbereitet antreffen.(A. Salomon)
Liebe Gemeinde, vor noch nicht allzu langer Zeit war Ostern und während ich dies schreibe steht Himmelfahrt vor der Tür. Beide Feste wollen sagen: Der Tod hat nicht das letzte Wort und auch uns ist jemand vorangegangen wie in obiger Geschichte, zwar nicht nach Kanada, sondern in das unbekannte Land der Ewigkeit: Jesus.
Bezeichnenderweise heißt es in den Himmelfahrtslied (EG 122): “Auf Christi Himmelfahrt allein, ich meine Nachfahrt gründe und allen Zweifel, Angst und Pein hiermit stets überwinde. Denn, weil das Haupt im Himmel ist, wird seine Glieder Jesus Christ zur rechten Zeit nachholen.” Es geht bei Himmelfahrt also nicht allein um die Frage, was mit Jesus nach seinem Tod und seiner Auferstehung geschehen ist, sondern Himmelfahrt hat auch ganz viel mit uns zu tun. Auch wir hoffen für uns selbst, dass wir nach unserem Tod nicht im “Nichts” versinken, sondern – genau wie Jesus- in den Himmel fahren können.
Himmel ist in der Bibel ein anderes Wort, eine Chiffre für “Reich Gottes”, für einen Bereich, in dem Gott alles in allem sein wird. Manche Leute behaupten zwar an Gott zu glauben, aber nicht an die Auferstehung und somit auch nicht an die Himmelfahrt. Da kann man nur fragen: Was ist das für ein Gott, an den Du glaubst ? Ein Gott, der das, was er selbst geschaffen hat, nach einiger Zeit wieder auf ewig vernichtet? Ein solcher Gott wäre ein grausamer Willkürgott, dem ich nicht vertrauen und an den ich nicht glauben möchte. Dem Leben und auch der Schöpfung wäre in diesem Fall jeder Sinn genommen.
Paulus sagt daher zu Recht in 1 Kor 15,19: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus (Gott), so sind wir die elendesten aller Menschen“ und der Schweizer Theologe Emil Brunner (1889-1966) vertrat die Meinung: „Ein Glaube, dem die Hoffnung auf die letzte Vollendung abhanden gekommen ist, ist ein Torso, er ist wie eine Treppe, die nirgendwohin führt, sondern im „Nichts“, im Leeren endet.“Deshalb lassen Sie uns daran glauben, dass ER alles vorbereitet hat in jenem anderen Land der Ewigkeit. Seine Auferstehung und Himmelfahrt ist der Weg in die unsichtbare Welt Gottes. Jesus ist nicht weggegangen, sondern hingegangen,eine Stufe weiter im Leben zu Gott. Darum dürfen auch wir uns auf ein Leben “drüben” freuen.Jesus wartet auf uns. Er hat gesagt: “Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen und ich gehe jetzt, um euch einen Platz vorzubereiten. “ (Joh 14,2).
Ihre Pfarrerin Antje Müller