„Freue dich nicht, Kind. Dein Lachen könnte uns verraten.“

Gottesdienst zum Gedenken an jüdische Opfer des NS-Regimes

Pfarrerin Antje Müller und Wolfgang Elias Dorr feierten gemeinsam einen christlich-jüdischen Gottesdienst im Gedenken an die Vielzahl jüdischer Opfer während des Dritten Reiches 1933-1945. Begleitet wurden sie von Odelia Lazar, Michael Wienecke und Christine Münch.

Antje Müller nahm den bevorstehenden 9. November zum Anlass für eine Erinnerungsreise in eine Zeit, als Frücht und Nievern noch jüdische Mitbürger mit aktiv gelebtem Glauben hatte. Vier Schülerinnen des Goethe-Gymnasiums und der Realschule plus Bad Ems stellten dazu ihre Recherchen zu jüdischem Leben in Frücht und Nievern vor. Die jeweils kleinen Religionsgemeinschaften waren noch vor Beginn des Krieges aufgelöst worden. Einige waren ausgewandert, andere jedoch hatten Ausgrenzung und Pogrome erleben müssen. Die Flucht in die Anonymität der nahen Großstadt Frankfurt hatte den jüdischen Familien Strauß, Roos, Mainzer oder Bär keinen Schutz geboten. Von Frankfurt führte ihr Weg über Deportation und Qual im Konzentrationslager in den gewaltsamen Tod.

Schülerinnen der Realschule plus und des Goethe-Gymnasiums Bad Ems erläuterten die rund 300 Jahre jüdischer Geschichte in Frücht und Nievern.

Odelia Lazar, deren Vorfahren ebenfalls den Tod in den Gaskammern fanden, und Michael Wienecke untermalten das Schicksal der sechs Millionen ermordeten Juden mit sehr passend ausgewählten Liedern. Aus einem stammt die Zeile der Überschrift: „Freue dich nicht, Kind. Dein Lachen könnte uns verraten.“ Das Lied, das die massenhafte Erschießung von Juden in Vilnius (Litauen) im April 1943 zum Hintergrund hat, zeigt deutlich die Angst entdeckt, verschleppt und getötet zu werden.

Odelia Lazar (Akkordeon) und Michael Wienecke (Gitarre) trugen jiddische Lieder vor und erzählten vom Schicksal der Familie Odelia Lazars. Zusammen mit Pfarrerin Antje Müller gestaltete Wolfgang Elias Dorr (rechts) als jüdischer Vertreter den Gottesdienst.

Es ging jedoch auch darum, Hoffnung und Zivilcourage aufzuzeigen. Pfarrerin Müller hob das couragierte Eintreten des christlichen Vikars Willi Göttert hervor, der sich als Pfarrer der Bekennenden Kirche für Verfolgte einsetzte und Unrecht öffentlich anklagte. Dorr und Müller waren sich einig, dass der Gott Israels und Jesu Christi für alle Menschen eine Weisung gegeben hat, die man sich wie Willi Göttert auch heute angesichts wieder erstarkendem Antisemitismus ins Gedächtnis rufen sollte: Die innere Zuwendung zu Gott ist wichtig. Aus ihr fließt die Liebe zum Mitmenschen als Antwort auf die Liebe, mit der Gott dem einzelnen Menschen begegnet. So bedingen sich letztlich Zivilcourage und Glaube.

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